Antropologia Critica
Klaus Heinrich
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Horst Kurnitzky

Klaus Heinrich: Vagina dentata  

„Es sieht so aus, daß die Kastrationsangst, die Angst davor, kastriert zu werden, auch wenn uns in der Psychoanalyse immer wieder der Vater als Kastrator vorgestellt wird, offenbar doch einer weiblichen Figur gilt, daß das Kastrationsinstrument nicht so sehr der männliche Penis, der da als Dolch gebraucht würde, oder seine Armverlängerung oder was immer ist, sondern die Vagina, die mit Zähnen besetzt ist, die darum 'dentata' genannt wird, in der, sagen wir: mythologischen Kunstsprache. Zunächst ist es mit Händen zu greifen, um das mythologische Argument gleich zu nehmen, in den ältesten Geschichten der Mythologie, die, als solche vorgeführt etwa bei Hesiod, in den Göttergenerationen deren Abfolge begründet. Da heißt es mit einer sehr großen Deutlichkeit, daß die Sichel, die scharfe, metallene, im Schoße der Gaia, der Erde gebildet wurde. Wenn sie das hören, dann ist eigentlich der Agent, deren sich die Erde bedient, um dem Uranos das Zeugungsglied abzuschneiden, nämlich Chronos, gar nicht nötig. Das kann sie selber tun. Diese ihre Kastrationsmacht wird offenbar - so auf den ersten Blick - Männern übertragen. Auf den zweiten Blick haben wir hier schon die Vermutung, die uns bei dem Ganzen leitet, daß nämlich die Angst vor der Rache der real unterdrückten Frauen diese als zu einer derartigen Unterdrückung berechtigend, veranlassend, stilisieren läßt. Sie sind es, die als diese Wesen zu fürchten sind, also das Produkt selber wird, wenn man das Produzent nennen darf, was kastriert, umgebogen in den Produzenten. Das zweite Kult haben sie im Isiskult selber, wo in orgiastischen Tänzen, die einen Orgasmus nachahmen, der Akt der Beschneidung als Selbstentmannung erfolgt. Die Weise, wie Lukian die verschiedenen Erklärungsgeschichten hier bringt, zeigt, daß er sehr wohl auch eine Ahnung davon hat, daß offensichtlich Angst vor Rache verständlich ist nach dem, was man selber getan hat: die entfernte Göttin, die real unterworfenen Frauen, die jetzt sozusagen als Stellvertretertäter sich zu Rachopfern erklärenden Priester. Die Erklärungen, daß hier bloß nachgeahmt werde, daß man also versuche isisartig zu sein in den Kleidern, oder daß man gar versuche, beide Geschlechter zu vereinigen, sind von vornherein als Rationalisierungen abzulehnen, denn wo wirklich beide Geschlechter, also Doppelgeschlechtlichkeit, ausgedrückt werden sollen, da werden die Attribute gehäuft und nicht noch zum Teil abgeschnitten.
Das nächste Beispiel ist eines, was die Ikonographie langer, langer Zeiten uns liefert. Die Schlangen, die von Schlangentötern - also sei es den Heroen, die darauf spezialisiert sind, oder den Heiligen, die später an ihre Stelle treten, wie der Heilige Georg - erlegt werden, können einem eigentlich, wenn man die Größenordnungen vergleicht, nicht Angst und Schrecken machen. Es gibt zwar Ausnahmen, wie die Meerungeheuer, aber auch dieses Meerungeheuer kann zu einem kleinen geringelten Schlangenschwanz werden, so wie in fast allen Darstellungen der Jonasgeschichte. Meistens sind es winzige, kleine Schlänglein, die von dem Herren auf dem hohen Roß, wie dem Georg z.B., erstochen werden, und bedrohlich werden könnten sie nicht dem Mann, sondern nur seiner Stellvertretung, seinem Penis.
Das psychoanalytische Argument schließlich leuchtet, glaube ich, so unmittelbar ein, daß ich es nicht groß zu kommentieren brauche. So oft wird in den Freudschen Texten von dem kleinen Mädchen gesagt: 'dies, was ihm fehle, zeige, es ist kastriert', daß sich der Schluß nahelegt, daß es wohl nicht kastriert ist, sondern kastriert hat, wenn das so oft mit männlichem Zeigefinger vorgetragen wird, und daß derjenige, der als Kastrator auftritt, wohl hier selber gefürchtet wird als der Kastrierte, dessen man ansichtig werden könnte, so wie in der Geschichte mit den Gallen. Ich will keine Gegenmythologie zu der ohnehin schon reichlich vorhandenen Mythologie machen, aber ich will doch einmal darauf hinweisen, daß, so wie bei Freud sich in die Darstellung des bezeichnenderweise neutrius generis benannten Es, des so neutral erscheinenden, alles bedeutenden, alles verschlingenden, keine richtigen Differenzen kennenden Unbewußten, sich die ambivalente Haltung gegenüber der Weiblichkeit verlagert - und dann gesagt wird: damit hat es aber nichts zu tun -, so muß nun noch einmal die Angst kompensiert werden, die Angst vor der Rache der Unterdrückten - eine durchaus historische Angst, nicht eine physiologisch-mystische Angst - in der Weise kompensiert werden, daß mit dem zweiten Satz gesagt werden kann: sie sind ja diejenigen, die sich ängstigen, daß sie kastriert sein könnten, und damit erkennten sie die mächtige Rolle des Vaters als Kastrator an.“                     >http://www.ludibrium.de/Heinrich.htm